Der Kaufvertrag von 1893

Das Grundstück hat eine lange Geschichte, die relativ gut mit Grundbuchakten belegt ist. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, was in einem Kaufvertrag dieser Zeit verhandelt wurde und welchen Wert dieser für die Familienforschung haben kann.

Pflug
Häufelpflug um 1890

Am 03.01.1893 verkauften Friedrich Theodor Draeger, der Enkel meines Spitzenahnen Matthias Draeger, und seine Frau Anna Dorothea Hermann ihr Grundstück in Leopoldsfahrt an ihren Schwiegersohn Emil Reinhold Borchert.

Mitverkauft wurden ein Wagen, ein Pferd, zwei Kühe, zwei Schafe, zwei Pflüge, drei Eggen und eine Hechselmaschine.

Hölzerne Egge
Hölzerne Egge um 1890

Eine Egge ist, neben dem Pflug, das Hauptwerkzeug eines Bauern. Es ist ein Bodenbearbeitungsgerät mit Zinken, um die Bodenschicht zu lockern.

Der Kaufvertrag ist in 6§ unterteilt und wurde vom Notar Oskar Pohl in Landsberg an der Warthe beglaubigt. Der Kaufvertrag trägt Stempelmarken im Wert von 73 Mark.

Es wurde ein Kaufpreis über 4.500 Mark vereinbart, wovon 800 Mark auf den Beilaß und 1.800 Mark für bestehende Grundschulden entfielen.

Von den verbleibenden 2.600 Mark verpflichtete sich die Familie Draeger, folgende Zahlungen als Erbteil zu leisten:

1. 600 Mark an ihren Pflegesohn Gustav Hermann
2. 600 Mark an ihren Sohn Heinrich Draeger
3. 900 Mark an ihre Tochter Marie Draeger, der Ehefrau von Herrn Borchert

So verblieben 600 Mark dem Verkäufer.

Das Restgeld, sowie die Beträge unter 1 und 2 verblieben beim Käufer, der diese zu 4% verzinsen musste. Ein dreimonatiges Kündigungsrecht stand den Begünstigten zu, Emil Reinhold Borchert hatte dagegen kein Kündigungsrecht.

Der umfangreichste Abschnitt des Vertrages, ist das Ausgedinge für die Draegerschen Eheleute. Das Ausgedinge beinhaltet folgende 26 Punkte, die hier wortgetreu zitiert werden:

"1. Zur Wohnung die kleine Stube rechts vom Eingang des Wohnhauses nebst daran stoßenden Kellerboden, ferner den Bodenraum über der kleinen Stube und dem Kellerboden zur alleinigen Benutzung, freien Auf- und Runtergang.

2. Die Benutzung der Küche, insbesondere die Ecke rechts vom Eingang vorn, die Mitbenutzung des Kesselraumes.

3. Ein Viertel des Kellers vom Eingange rechts.

4. Freien Runter- und Aufgang, sowie freien Ein- und Ausgang durch sämmtliche Türen.

5. Den kleinen massiven Stall nebst Schweinekoben zum alleinigen Gebrauch.

6. Die Mitbenutzung der Scheune zum Dreschen und Unterbringen der Ernte, des Brunnens, des Backofens und der Retirade [Anm. Toilette], der Wirtschaftsgeräte. Das Backen des Wirts muß den Ausgedingern Tags vorher angesagt werden.

7. Die Nutzung des halben Morgen Ackers hinter dem Hause, sowie des am Giebel des Hauses zwischen diesem und der Grenze belegenen Raumes (Landes).

8. Die drei reichen Obstbäume im Garten rechts des Einganges nebst dem darunter befindlichen Lande zur alleinigen Benutzung.

9. Ein und einen halben Morgen Land nach Wahl der Ausgedinger, welche dasselbe alle drei Jahre wechselen können. Der Käufer hat dieses Land alljährlich frei zu düngen, zu bestellen und die Früchte einzuholen. Nehmen die Ausgedinger das Land in Anspruch, so hat der Käufer im ersten Jahre die Aussaat zu liefern.

10. Freie Wege und Stege auf dem Grundstücke.

11. Alljährlich bis zum ersten Juli viertausend Stück költschender Torf und sechs Meter Kiefernklobenholz erster Klasse mit freier Anfuhr.

12. Jährlich zum ersten Oktober sieben Zentner Roggen.

13. Jährlich zu Weihnachten und zu Ostern je zwölf Pfund Weizenmehl erster Klasse.

14. Jährlich zu Weihnachten zwanzig Pfund Buchweizengrütze, zwanzig Pfund Salz.

15. Jährlich zu Michaeli zwanzig Mark bar.

16. Jährlich zum ersten April achtzehn Mark Schweinegeld oder ein ausgeschlachtetes halbes fettes Schwein im Gewicht von einhundert Pfund nach Wahl der Ausgedinger.

17. Eine Kuh, welche sich Ausgedinger von den vorhandenen Kühen wählen, in freiem Futter und Weide bei den Kühen und im Stalle des Wirts und zum ersten Oktober jeden Jahres zwölf Zentner Heu oder täglich einen und einen halben Liter frische Morgenmilch und wöchentlich ein Pfund Butter nach Wahl der Ausgedinger.

18. Ein Schaf mit Zuwachs im freien Futter und Weide bei den Schafen und im Stalle des Käufers.

19. Vier Hühner und freien Gang für dieselben.

20. Freie Mühlenfuhren und sechs Stadtfuhren und drei Besuchsfuhren bis zu drei Meilen Entfernung jährlich.

21. Freie Wäsche und Pflege in schwachen und kranken Tagen.

22. Das Recht, ihre beiden Söhne Gustav Hermann und Heinrich Draeger bei sich zu behalten.

23. Freies standesgemäßes Begräbniß des Verkäufers oder fünfundsiebzig Mark für denselben.

24. Käufer ist verpflichtet alljährlich zehn Pfund Lein für die Ausgedinger auszusien? und das ... dazu zu geben. Die Saat liefern die Ausgedinger.

25. Die Ausgedinger sind berechtigt das Ausgedinge anderwärts zu verzehren. Der Wirt ist verpflichtet, dasselbe frei auf eine Entfernung von drei Meilen nachzuliefern. Für die Räumlichkeiten muß er Jährlich sechsunddreißig Mark zahlen.

26. Im Falle des Todes des einen Ausgedingers fällt von den transportablen Leistungen ein Drittel fort. Dieses Ausgedinge, dessen Jahreswert zweihundertfunfundzwanzig Mark beträgt, soll im Grundbuch eingetragen werden."

Quelle:
Grundbuchakten (Archiwum Państwowe w Gorzowie Wielkopolskim, Signatur 66/28/0/2.108/6098)