Der Deichbruch bei Költschen (1775)

In Paul Schwartz "Urbarmachung des Warthebruchs in den Jahren 1767-1782" werden die Arbeiten zur Trockenlegung des Warthebruchs beschrieben. Diese basieren großteils auf einem Bericht des Baudirektors Hahn. Der Bericht wird darin, bis auf die folgende Passage, sinngemäß aber nicht im Wortlaut wiedergegeben. Auch diese Arbeit von Schwartz ist sehr lesenswert, da einem die Lebensumstände der betroffenen Kolonisten sehr deutlich näher gebracht werden. Vor der Regulierung der Warthe haben die Menschen mit sehr vielen Überschwämmungen zu kämpfen gehabt. Immer wieder brachen die Deiche und die mühsam gegrabenen Abzugsgräben versandeten wieder, Häuser wurden weggeschwemmt und Hab und Gut gingen verloren.

Auszug aus dem Bericht des Baudirektors Hahn

Der folgende Bericht beschreibt die Geschehnisse vom 14. Februar 1775 10:00 Uhr bis zum 23. Februar 1775

"Hier stopfte sich das Eis im Vorland, wo es nicht fortkommen konnte; die unterste Lage vom Eis, welches an dem Banquett [Anm. Schwartz: Wallbank, wie eine Art Auftrittstufe längs des Walles] angefahren war, hob sich vorn bis gegen die Oberfläche des Wassers, blieb aber unten am Fuß des Walles fest. Auf einmal hob das Wasser das Terrain mitsamt dem Wall auf und schob ein Stück von 10 Ruten [eigene Anm. eine preußische Rute waren 12 Fuß lang und entspricht ca. 3,7 Meter] lang bis an den Parallelgraben hinter dem Wall, woselbst das ganze Stück in seiner völligen Form stehen blieb, als wenn es mit Fleiß wäre dahin aufgebaut worden. Auf der Walllinie aber entstand eine außerordentliche Tiefe, und das Wasser erfüllte in kurzer Zeit das ganze Költschener Bruch und staute hinauf bis Eulam. Das Anwachsen des Wassers hielt noch immer mit dem gefährlichsten Eisgang bei überaus stürmendem Wetter an, und ohnerachtet aller Aufsicht und möglichster Gegenanstalten, da die Schleuse bei Wepritz und an der Clemente zum Debouchement des Wassers gezogen und das gegenseitige Bruch ganz voll Wasser gelassen wurde, und da fast alle Einwohner im Bruch aufgeboten und auf dem Wall befindlich waren, fernere Durchbrüche zu verhüten: so brach doch in der Kolonie Gürgenaue, dem Dorf Eulam gegenüber, das Wasser am 19. d. M. früh um 8 Uhr den Wall durch, da denn der zweite Durchbruch entstanden, und verursachte eine sehr große Tiefe auf der Walllinie. Hierbei war nun nichts weiter zu tun, als ein ferneres Unglück zu verhüten. Daher wurde auf dem noch oberhalb belegenen haltbaren Wall, welcher durch den Wellenschlag bei dem beständig anhaltenden Sturmwinde sehr übel zugerichtet wurde, die Gegenanstalten verdoppelt. Allein da das Wasser bei beständigem Wachsen blieb und an dem Maß [Anm. Schwartz: Pegel] bei Landsberg bis 10 Fuß hoch gestiegen, waren keine menschlichen Kräfte mehr hinreichend, den dritten Durchbruch den 23. früh mit anbrechendem Tage oberhalb der Landsbergischen Kanalbrücke auf den sog. Schweineanger zu verhüten. Dieser Durchbruch war um so gefährlicher und tiefer, weil er sich bis über einen alten Strom verbreitete, welcher vor Zeiten in der Gegend gegangen. Der übrige Teil des Walles von da bis an die polnische Grenze wurde noch mit vieler Mühe und Kosten erhalten, wiewohl selbiger durch den Wellenschlag sehr übel zugerichtet wurde. Die große Menge Wasser, welche durch diese drei Brüche das obere Warthebruch anfüllte, mußte sich durch den Brenkenhoff-Kanal zwischen Költschen und dem Wall durchdrängen. Ob nun gleich diese Passage für das ordinäre Binnenwasser groß genug, so war sie doch gegenwärtig viel zu klein, daher das Wasser nicht alleine durch einen Teil des Dorfes ging und viele Verwüstungen anrichtete, sondern es griff auch den Wall dem Dorf gegenüber von innen an und spülte solchen weg, wodurch der vierte Durchbruch entstand, durch welchen aber nicht das Wasser aus der Warthe ins Bruch, sondern aus dem Bruch in die Warthe lief. Ohne diese Schäden, welche die Durchbrüche an dem Wall verursacht hatten, haben sie noch viele Verwüstungen in dem Inneren des Bruchs sowohl an der linken Seite der Warthe angerichet, weil dadurch die Abzugsgräben an sehr vielen Stellen zugesandet, alle Kommunikationsbrücken weggeschwemmt, auch viele Kolonistenhäuser, besonders in der Kolonie Derschau, beschädigt wurden; sondern auch in dem Bruch an der rechten Seite der Warthe hat das Wasser, welches durch die Schleusen ins Bruch gelassen wurden, nicht nur alles überschwemmt, sondern auch die Abzugsgräben an vielen Stellen zugesandet, die Fahrdämme ruiniert und die Kommunikationsbrücken weggeschwemmt . Doch ist bei allen diesen Überschwemmungen weder Mensch noch View verunglückt."

Der Schaden wurden zuerst auf 51.157 Taler taxiert, worauf der König eine erneute Schätzung durch einen unparteiischen Sachverständigen anfordertete. Nachdem die erneute Schätzung sogar um 8.000 Taler über der ersten lag, bewilligte er die ursprüngliche Summe.

Nach der provisorischen Abdichtung der Durchbrüche konnten die Bewohner ihr Vieh wieder weiden lassen, welches sie vorher auf höhere Lagen in Schutz gebracht hatten. Die Brücke bei Költschen konnte wegen nicht freigegebenem (unentgeltlich) Bauholz derer von Waldow nicht wieder hergestellt werden.

Quelle:
Schwartz, Paul: Die Urbarmachung des Warthebruchs in den Jahren 1767-1782. In: Die Neumark. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Neumark (1929, Heft 6 S. 25f.) S. 25f.